2. Tag – Holzkirchen

„Brauchen sie Hilfe ?“

Diese Frage kam nicht vom Hausmeister, der war nämlich krank, sondern von einem ziemlich aufgeweckten Jungen, der mit seinen Klassenkameraden gerade das Unterrichtszimmer wechselte.

„Habt ihr den Zeit ?“

„Ham mer a bisserl Zeit ?“ fragte er seine Mitschüler

„Klar ham mer Zeit“

Das war mein erster Kontakt zu den Schülern der Mittelschule Holzkirchen. Also so schön direkt und ungefragt ist mir das von Schülern noch nie angeboten worden. Die Truppe rückt Stühle blitzschnell hin und her und verschwindet nach 5 Minuten in die nächste Stunde. Mehr Zeit hatten sie nämlich gar nicht. Danke Jungs, ich fand das toll.

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An der Mittelschule Holzkirchen muss scheinbar keiner auf obercool machen. Dieser gute Eindruck hat sich auch in der Vorstellung fortgesetzt. Und danach sind ganz viele „Buam“ und „Madeln“ über die Brücke gelaufen oder haben sie zerlegt. Und auch heute wurde ich nach der Vorstellung gefragt wo mein Betrieb angesiedelt ist und ob man bei mir ein Praktikum oder eine Lehre machen kann.

Mutig und voll mit dabei - die Schülerinnen und Schüler aus Holzkirchen

Mutig und voll mit dabei – die Schülerinnen und Schüler aus Holzkirchen

Heute war Herr Kirst vom Landesinnungsverband der bayerischen Zimmerer zur Vorstellung gekommen und hat gleich einen Kameramann mitgebracht. Es wurde gefilmt und interviewt.

Gekommen ist auch Manfred Reckersdrees, ein Kollege und Zimmermann mit einem größeren Betrieb. Er kümmert sich in Innungen auch um die Nachwuchswerbung. Selbst bildet er gerade 3 Auszubildende aus und gibt jedem der anfragt die Möglichkeit über ein Praktikum mal in den Beruf hinein zu schnuppern.

Herr Reckersdrees im Gespräch mit Herrn Kirst vom Landesinnungsverband

Herr Reckersdrees im Gespräch mit Herrn Kirst vom Landesinnungsverband

Ich erzähle in meinem Stück auch über die alte Tradition der Walz, der Wanderschaft der Handwerksburschen, die für 3 Jahre und 1 Tag in die Fremde ziehen.

Manfred Reckersdrees hat besondere Verbindungen zu den französischen Zimmerleuten, den Compagnons, die gleich für 7 Jahre auf einer Tour de France in die Fremde ziehen. Die Organisation unterhält 90 Herbergen. Im Moment sind 2700 junge Zimmerleute so unterwegs und arbeiten immer für ca 7 Monate in einer Zimmerei mit. Unglaublich, was es im Handwerk alles gibt.

Heute habe ich leider keine Zeit mir Holzkirchen anzusehen. Ich muss ein paar Kilometer weiter nach Reitham. Vor einem dreiviertel Jahr habe ich bundesweit eine Firma gesucht, die mir größere Mengen Rundhölzer für meine Leonardo da Vinci Brücke drechselt, damit die Brücke auch mal an einer Schule bleiben kann. Reitham wars, aber Reitham war natürlich viel zu weit weg von meinem Firmensitz. Die Planung für die Bayerntour gab es damals noch gar nicht.

Ausgerüstet für 20 neue Brücken mit Rundhölzern der Fa Kirschenhofer in Reitham

Ausgerüstet für 20 neue Brücken mit Rundhölzern der Fa Kirschenhofer in Reitham

Heute musste ich genau 8 km fahren um Rundhölzer für gleich 20 Brücken in meinem Auto zu verstauen, das den Rest der Tour ganz wunderbar nach frischen Holz riechen wird.

Im kleinen Reitham war ich dann noch zu Fuß als Tourist unterwegs. Frischer Schnee, Sonne und zu allem Glück gab es viel Holz an alten und neuen Häusern zu bewundern.

Tradition. Schon wieder. Alt und neu. Passt.

Reitham alt

Reitham alt

Reitham neu...

Reitham neu…

1. Tag – Mühldorf am Inn

Montag 7. März. Heute beginnt sie nun also in Mühldorf, die Theatertour durch Bayern. Die Mittelschule in Mühldorf, einladend, offen, mit viel Licht. 2007 neu erbaut macht einen sehr sympathischen Eindruck. Der Eindruck verstärkt sich, nachdem ich die 2 jetzt für mich wichtigsten Menschen an der Schule kennen gelernt habe. Die Schulleiterin Frau Jäger, und den Hausmeister Herrn Rund.

Ca. 170 Schüler und Schülerinnen der Jahrgangsstufen 8 und 9 werden heute die Zuschauer sein. Im Nu ist mit deren Hilfe alles in der wunderschönen Aula aufgebaut. Ich freue mich immer, wenn ich mit den Hausmeistern ein paar Worte reden kann. Die kommen nämlich immer aus dem Handwerk.
„Wie sieht es denn hier aus mit dem Handwerk ?“ frage ich.
„Super, aber es gibt viel zu wenig Lehrbuam“ kommt als Antwort.
„Und zu wenig Lehrmadeln“ füge ich hinzu. Damit ist das Kernthema schon ausreichend besprochen.

170 gebannte Schülerinnen und Schüler begleiten den Auftakt meiner Bayerntour

170 gebannte Schülerinnen und Schüler begleiten den Auftakt meiner Bayerntour

Die Aufführung läuft ganz prima. Ich erzähle diesmal ein bisschen mehr aus meinem Beruf. Auch wenn sich viele eher scheuen vor 170 Gleichaltrigen etwas persönliches zu sagen, sehe ich spätestens an der Schlange vor dem Wanderbuch in das die jungen Leute sich eintragen können, dass ich die meisten erreicht habe. Viele Jungs sagen mir dann auch persönlich, dass sie das Stück gut fanden.

Mutig über Leonardos Brücke

Mutig über Leonardos Brücke

Im Nachgespräch gabs auch für mich einen ganz besonderen Moment. Ich erzähle im Stück, dass ich Zimmermann geworden bin, weil man da so richtig große Sachen bauen kann. Ein Junge fragt mich im Publikumsgespräch, was das Größte war, das ich jemals gebaut habe. Als ich vom höchsten Bau mit 45 m Höhe erzähle, der Turmspitze eines Minaretts an einer Mosche, kommt Applaus. Auch im ländlichen Mühldorf ist natürlich die kulturelle Vielfalt angekommen.

Sie hat mir gefallen, die Atmosphäre dort in der Schule. Aufgefallen ist mir ein Schild mit Bild und Namen der „Schülerpausenaufsicht“. Hab ich so noch nicht wahr genommen. Tolle Idee.

Wanderbuch

Obwohl ich heute noch weiter ziehen muss, schaue ich mir natürlich noch Mühlheim an mit dem wunderschönen langen und geschwungenen Marktplatz, der allerdings wegen der vielen Autos schlecht zu fotografieren ist. In der Stadtkirche St. Nikolaus fällt mir neben der prächtigen Ausstattung (alles von Handwerkern gemacht) das Weihwasserfassauf, aus dem man mit einem Krug schöpfen kann. Das erinnert mich an früher, und dass mein erstes Moped noch in einer Fahrzeugweihe geweiht wurde, und einmal im Jahr Weihwasser übers Futter der Kühe gespritzt wurde. In Bayern halten sich Traditionen halt traditionell etwas länger.

Der Humor der Jäger wird im Mühldorfer Jagdmusseum auf eine harte Probe gestellt. Dort findet man bekannte und unbekannte Lebensweisheiten in einer sicherlich einzigartigen Zusammenstellung. Öffnungszeiten leider nur Mittwoch 14 – 18 Uhr.

Jäger mit Humor

Jäger mit Humor

Übrigens, die einzigen, die außer den katholischen Priestern etwas weihen dürfen sind die Zimmerleute, deren traditioneller Richtspruch mit den Worten endet:
„Und nun fahr hin, du Glas zum Grunde, geweiht sei dieser Bau zur Stunde“

Mit Herz und Hand – die Bayerntour 2016

Eine Theaterreise vom 7. bis zum 18. März 2016
Organisiert vom Landesinnungsverband des Bayerischen Zimmererhandwerks

Mit Gunst und Verlaub

Bayern ist für mich immer noch etwas Besonderes. Bayern ist meine alte Heimat. Genau genommen natürlich Franken. Ich bin in einem kleinen Bauerndorf in der Nähe von Ochsenfurt aufgewachsen, habe in Würzburg Architektur studiert und nicht weit davon entfernt, in Remlingen, 15 Jahre meinen kleinen Zimmereibetrieb geführt. Ich war viele Jahre als Lehrlingswart in der Vorstandschaft der Würzburger Zimmerinnung tätig.

In Bayern liegen meine Wurzeln. Seltsamerweise hat bei uns früher die Grenzziehung zwischen Franken und Bayern nie eine Rolle gespielt. Es gab schon immer mehr Bayernfans als Cluberer, auch als die Erfolgskurven der beiden Vereine noch nicht so auseinender liefen.

Das Handwerk hat in Bayern noch einen höheren Stellenwert als in vielen anderen Bundesländern. Das bayerische Selbstbewusstsein hat auch im Handwerk seinen festen Platz. Dieses Mehr an Tradition und Verbundenheit mit der Heimat, mit den Menschen vor Ort, hat in unserer globalisierten Welt eine sehr große Bedeutung und steht Weltoffenheit überhaupt nicht im Wege.

(Hierzu empfehle ich die Ansichten eines Zimmermanns zur Globalisierung)

Ich freue mich sehr auf diese Theaterreise durch alle 7 bayerischen Regierungsbezirke. Mit 13 Auftritten in 10 Städten werde ich in Mittelschulen versuchen, jungen Menschen das Handwerk näher zu bringen. Der direkte Bezug zum Handwerk geht zunehmend verloren. In einer funktionierenden Gesellschaft braucht es aber unbedingt ein gutes Miteinander zwischen Theoretikern und Praktikern. Dass im Handwerk gerade jetzt allerbeste Chancen auch für die leistungsstarken Jugendlichen liegen, das versuche ich mit dieser Theatertour zu vermitteln.

Vom Grande Finale

29. Tag – achtundzwanzigster Tag

250 Jugendliche verschiedener Schulen und Schulformen.
Heute will ich es wissen. Ohne Mikro !

Die wunderschöne Aula im Hessencampus füllt sich. Alle Plätze sind besetzt, auch unsere Bänkchen in der berühmten ersten Reihe. Und noch immer strömt Klasse um Klasse herein. Irritationen allerseits. Durch ein Terminmissverständnis der Schulen untereinander sind heute Vormittag rund 400 Schüler aufgelaufen. Und nun ? Kurze Beratung. Durchziehen!

Stühle werden aus dem Lager geholt, Galerien und Fensterbänke besetzt, Head-Set geholt und an die vorhandene Tonanlage angeschlossen. Bestellung ans Universum abgegeben. Und dann geht sie mit einer ordentlichen Verspätung los. Meine gefühlte Meisterprüfung.

Dank der Tonanlage und der sehr konzentrierten Schülerinnen und Schüler gelingt das Experiment voll und ganz. Ich kann gegen Ende die ruhigen Passagen und Pausen regelrecht auskosten. Man würde die berühmte Stecknadel fallen hören. Ich berühre Menschen und bin gerührt. Schöne Einträge. Glück.

Volle Konzentration - rund 400 Schülerinnen und Schüler aus Hofgeismar verfolgen gebannt die Geschichte von Paul Ballmer

Volle Konzentration – rund 400 Schülerinnen und Schüler aus Hofgeismar verfolgen gebannt die Geschichte von Paul Ballmer

Aus 250 wurden 400 - volles Haus bei der Aufführung auf dem Hessencampus Hofgeismar!

Aus 250 wurden 400 – volles Haus bei der Aufführung auf dem Hessencampus Hofgeismar!

Am Abend sind dann fast nur Erwachsene in der Vorstellung „Hans im Glück oder der Traum vom Fliegen“. Alle, die an dem Projekt mitgearbeitet haben sind da. Erich Horbrügger von der Kreishandwerkerschaft, Herr Buchholz von der Sparkasse, Benjamin Schäfer von der Deutschen Märchenstraße, Kreishandwerksmeisterin Frau Kaske-Diekmann, und viele Obermeister und Meister. Die letzte Vorstellung der Tour. Viel Anerkennung für diejenigen, die im Vorder- und Hintergrund mitgewirkt haben.
vor und hinter den Kulissen aktiv: Erich Horbrügger, Kerrin Hänning und Richard Betz

vor und hinter den Kulissen aktiv: Erich Horbrügger, Kerrin Hänning und Richard Betz

Traum vom Fliegen für Jung und Alt

Traum vom Fliegen für Jung und Alt

Danach wird der Hessentag von der Kreishandwerkerschaft schon mal vorab eröffnet. Die ersten Bratwürste verzehrt und das erste Fass angestochen. Ein schöner und geselliger Abschluss einer ganz wunderbaren Tour.
Letzter Eintrag ins Reisetagebuch. Letztes Mal zusammen mit Kerrin die Fotos auswählen.
Es wird wohl noch ein paar Tage dauern bis ich wieder wirklich angekommen bin. So viele Eindrücke in so kurzer Zeit. Das war trotz aller Anstrengung auch ein großes Geschenk.
Im Gespräch bei der Eröffnung des Standes der KH auf dem Hessentag

Im Gespräch bei der Eröffnung des Standes der KH auf dem Hessentag

Danke an alle, die mitgeholfen haben, und an alle, die mich berührt haben. Danke ans Universum. Mein persönlicher Lieblingseintrag im Reisetagebuch: ein kleines Filmchen „Ansichten eines Zimmermanns -die Globalisierung“. In der Mediathek noch unter „Gaudi und Gedanken“ zu finden.
Richard Betz (ein Hans im Glück)
Angekommen!

Angekommen!

Von der Ruhe vor dem Sturm und von der Globalisierung

28. Tag – siebenundzwanzigster Mai

Aula des Hessencampus, groß, hoch, lichtdurchflutet.

Ein schöner Raum für die letzten Aufführungen der Tour. Morgen werde ich hier mit Herz und Hand, sowie Hans im Glück spielen. Morgens mit 250 Zuschauern. Wieder entscheide ich mich dafür, nicht auf der Bühne zu spielen. Kerrin und ich stellen ein großes Oval auf. Alles ist bereit.

Immer wieder kommen mir Begebenheiten und Eindrücke der Tour in den Sinn. Die Worte des Borkener Bürgermeisters Bernd Heßler klingen mir noch in den Ohren:
„…das da hinten ist mein Metzger, dort steht der Bäcker der meine Brötchen backt, und daneben ist meine Friseurin, die mir die Haare schneidet.“

Zum Thema Globalisierung / Regionalisierung habe ich schon länger eine kleine Geschichte im Kopf, die setzen wir heute gleich um. Und hier sind sie, des Zimmermanns Ansichten Teil 1:

Gebührender Rahmen für ein großartiges Finale - Dank an Hessenkampus, Kreishandwerkerschaft und Sparkassen!

Gebührender Rahmen für ein großartiges Finale – Dank an den Hessenkampus, die Kreishandwerkerschaft und die Sparkassen!

Ansichten eines Zimmermanns – Die Globalisierung

Von einer märchenhaften Burg und einer zünftigen Vorstellung

27. Tag – sechsundzwanzigster Mai

Das Nachtflugverbot haben die Wasser-Modellbauflieger eingehalten. Vor unserer Abfahrt habe ich noch Zeit für ein paar Sätze mit den Fliegern. Hier ist Fliegen Männersache. Die Frauen reisen mit. Hinter einem Fliegerzelt entdecke ich das wirklich originellste Wohnmobil der ganzen Tour. Ein 34 Jahre alter 2 CV, der mit seinen 36 PS einen in der Größe passenden Wohnwagen zieht. Der Besitzer, ein Feinmechanikermeister kommt mit seiner Frau geradewegs von einem 2CV treffen, direkt zum Wasser-Modellbaufliegertreffen.
36 PS - ja, damit geht es auch über die Alpen!

36 PS – ja, damit geht es auch über die Alpen!

Für uns geht die Fahrt weiter zur Jugendburg Hessenstein. Aufführung im Burghof. Das Wetter ist sehr kalt und bzgl. des Regens noch unentschlossen. Ich gebe eine Bitte ab ans Universum. Die Jugendburg liegt romantisch inmitten unberührter Wälder. Das Ambiente im Burghof ist wahrlich märchenhaft. Hier könnten im Sommer mühelos Festspiele veranstaltet werden. Zur Zeit sind vor allem Schulklassen zu Gast auf der Burg. Sie verbringen hier jeweils drei Tage und lernen unter anderem mittelalterliches Handwerk kennen. Großartig!

Ein riesiger LKW mit Bühnenausstattung parkt vor der Burg und verspricht für die heutige Aufführung einiges. Daneben komme ich mir mit meinem Sprinter geradezu winzig vor. Unglaublich! für die heutige Vorstellung wurde eigens eine Bühne und überdachte Zuschauerplätze errichtet. Vielen Dank an das Team von der Burg, an Herrn Brühl von der KH Waldeck-Frankenberg und die Sparkasse für dieses Engagement!

Jugendburg Hessenstein

Jugendburg Hessenstein

Heute steht „Hans im Glück oder der Traum vom Fliegen“ auf dem Programm. Zu den Schulklassen (3. und 4. Klasse) gesellen sich noch viele weitere Zuschauer aus der Gegend, die durch einen Presseartikel von der heutigen Vorstellung erfahren haben. Das Publikum ist bunt durchmischt. Jung und Alt fiebern mit dem Gesellen Johann mit und sind voll bei der Sache. Das Universum scheint uns gehört zu haben, denn das Wetter hält bis zum Abbau. Nach dem Ende des Stückes bildet sich die längste Warteschlange aller bisherigen Aufführungen für Einträge in mein Wanderbuch. Alle verewigen sich mit guten Wünschen für die Wanderschaft.

Und dann geht es weiter zur letzten Etappe der Tour: Durch eine traumhafte Landschaft fahren wir z.T. entlang der Deutschen Märchenstraße bis nach Liebenau-Ersen. Bis zum Finale beim Hessentag sind es von hier aus nur noch 10km. Wunderbar, heute Nacht schlafe ich in meinem eigenen Bett.

Aber dafür scheint es erst einmal mit der Gans gut zu klappen... erst einmal.

Stolz geht Hans auf Wanderschaft.

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Fabelhaft! Die Kreishandwerkerschaft hat für eine Bühne und überdachte Sitzplätze gesorgt. Festivalatmosphäre im Burghof.

Schülerinnen und Schüler aus dem Publikum verewigen sich in meinem Wanderbuch

Schülerinnen und Schüler aus dem Publikum verewigen sich in meinem Wanderbuch

Von umgedrehten Häusern und hohen Wegen

26. Tag – fünfundzwanzigster Mai

Unsere Halbinsel auf dem Campingplatz leert sich. Das lange Pfingstwochenende ist vorbei. Ich ziehe los zum Tree – Top – Walk, dem Baumkronenpfad. Wollte ich schon immer mal hin.

Unterwegs treffe ich auf ein Haus; das auf dem Kopf steht. Haben die Handwerker die Pläne falsch gehalten oder wurden Sie vom Architekten falsch kopiert? Das wird wohl nie herauszubekommen sein. Vielleicht ist es auch nur eine innovative Idee, die sich noch durchsetzen muss. Besucher und Bewunderer gibt es jedenfalls genug.

Die Welt steht Kopf! Oder eher die Handwerker...

Die Welt steht Kopf! Oder eher die Handwerker…

Der Weg zum Tree-Top-Walk führt sehr schön durch den Wald und bietet anschaulich Informationen. Rotwild kann 11m weit springen und ein Eichhörnchen irgendwie auch schon 5 m. Sogar die Wildsau springt viel weiter als ich.

Der Baumkronenpfad ist eine anspruchsvolle Stahlkonstruktion, die durch Holzdielen begehbar ist, und mit geschwungenen Hölzern verziert ist. Rollstuhlgeeignet. Am Endpunkt lockt ein wunderbarer Blick über den Edersee. Ja, ich habe es mir ein bisschen abenteuerlicher vorgestellt. So mit Hängebrücke, angeseilt über dem Abgrund. Nun gut, schön war´s trotzdem. Und es ist ja nicht jeder ein Zimmermann, der ein gewisses Maß an Schwindelfreiheit mitbringt.

Am Campingplatz „Zum Träumen 1 A“ ist die Halbinsel schon wieder voll belegt. Ein merkwürdiges Surren liegt in der Luft. Und jetzt sehe ich sie: Modell-Wasserflugzeuge. Aus ganz Deutschland sind begeisterte Modellbauer angereist um eine Woche lange zu starten und zu landen. Fröhliche Stimmung. Diesmal völlig ohne Musikanlagen. Mehr als das Summen der Motoren braucht der Modelflieger nicht. „Über den Wolken“ haben wir gestern noch am Lagerfeuer gesungen.

Ich bleibe entspannt und gehe erst einmal von einem strikten Nachtflugverbot aus.

Sprintertreffen, Wasserflieger-Treffen… ich freue mich schon auf das „Etwas andere Traktoren Treffen“ am Wasserschloss Wülmersen.

Baumgipfelpfad

Baumgipfelpfad

Von einem ganz besonderen Tag

25. Tag – vierundzwanzigster Mai

Geburtstag. Mein Geburtstag. Ich bin mit Annette und meinen Kindern verabredet. „Hast Du Dich verändert?“ hatte mich Paulina am Telefon gefragt. „Nein und Du?“. „Ich habe eine neue Brille und neue Schuhe“ war die Antwort meiner siebenjährigen Tochter.

Wir gehen mal richtig gut essen. Und die folgende Geschichte widme ich allen Restaurantbesitzern Deutschlands. (bitte, ohne sie in einen Topf zu werfen). Ich war früher öfter in Frankreich unterwegs und habe ich der Regel Folgendes erlebt. Bevor die Erwachsenen überhaupt bestellen können, nimmt der Kellner die Kinder wahr und Kontakt mit ihnen auf, fragt, was sie trinken wollen, stellt ihnen etwas Baguette zum Knabbern hin. So, und jetzt kann ich Ruhe bestellt werden. Die Kinder bekommen Ihr essen zuerst, und während die Kleinen zufrieden und satt auch schon mal nach draußen flitzen, essen die Erwachsenen voller Wonne.

Auch heute bestellen meine Kinder die einfachen Kindergerichte. Nudeln mit Soße und Chicken Nuggets. Das Kinderessen kommt dann als allerletztes auf den Tisch. „Wann kommt endlich das essen“, ist der Satz des Tages. Das Essen ist lecker. Kinder – und familienfreundlich geht aber anders.

Nach dem Essen fahren wir auf dem Edersee Tretboot. Habe ich seit Jahrzehnten nicht mehr gemacht. Unser Boot ist ein VW New Beatle. Anna darf lenken und erhält von mir sofort Ihr Kapitänspatent . Es gibt am Edersee auch einen ganz wunderbaren Klettergarten und viele Spiele für alle Sinne. Ein schöner Nachmittag mit meinen Lieben. Der Abschied fällt mir schwer.

Kerrin und ich kommen spät an auf unserem Platz „Zum Träumen 1 A“ und müssen uns mit dem Bühnenaufbau für meinen Auftritt „Mit Hans im Glück“ sputen.

Großes Lagerfeuer, ca. 30 Kinder direkt vor der Bühne im Schnitt 5 Jahre oder jünger. Dazu 100 Leute an Tischen und Bänken und ums Lagerfeuer. Mikroport ist angesagt und Improvisation. Es klappt ganz gut. Die Kinder sind gebannt. Ich nehme ziemlich viel Text heraus, den ich für größere Kinder und Erwachsene angebracht halte, und merke an den Kommentaren, dass ich den Kindern mehr zutrauen hätte können. Sie krakeln nach dem Stück stolz Ihre Namen ins Wanderbuch.

Stolz verewigen sich die jüngsten Zuschauer im Wanderbuch

Stolz verewigen sich die jüngsten Zuschauer im Wanderbuch

Am riesigen Lagerfeuer wird bis Mitternacht gesungen. Ernst Rudolf, der Mann, der wie ich mit dem Universum spricht, singt und spielt auf seiner Gitarre die alten Songs. Jeder hat ein extra hierfür gedrucktes Liederbuch in der Hand und singt mit. Großartig. Ich wünsche mir zum Geburtstag „The Rose“ ein sehr berührendes Lied. Ich bekomme es und viele, viele Gratulationen.

Ernst Rudolf begeistert mit Liedern und Gitarre

Ernst Rudolf begeistert mit Liedern und Gitarre

Theater_Blog

Auftritt am Lagerfeuer – „Zum Träumen 1A“

Die Stimmung und das Miteinander hier auf diesem Campingplatz ist besonders. Hier gibt es nicht nur räumliche Weite. Etwas von einer alten Zeit liegt heute in der Luft. Einer Zeit, in der alle mehr miteinander zu tun hatten. Viele Lagerfeuer brennen. Ernst Rudolf spielt jeden Mittwoch zum Mitsingen. Und auch unsere Campinggruppen auf der Halbinsel spiegeln das wieder. Sie sind zum Teil mit Kind und Kegel da, kochen zusammen und essen an riesigen Tischen. Abspülen ist oft Männersache und wird durchorganisiert. „So kann man doch nicht arbeiten“ höre ich als Kommentar in einer noch nicht perfekt eingespielten Männerabspülrunde.

Mitternacht. Oropax rein und gute Nacht.

Idylle am See

Idylle am See

Von Bits und Bytes und vom Mittendrin im Leben

24. Tag – dreiundzwanzigster Mai

Wir sind umgezogen. Auf dem Campingplatz zum Träume 1 A. Ungefähr 200 m vom beschaulichen Uferweg hinüber auf die Halbinsel. Traumplatz. Danke ans Universum. Jetzt sind wir mitten drin im Leben. Die Halbinsel ist größtenteils von Gruppen belagert. Hier spielt die Musik. Und zwar laut.

Ich denke natürlich gleich an die Jugend, die hier mal wieder über die Stränge schlägt. Nun gut: „Lass doch der Jugend Ihren Lauf“ habe ich noch vor wenigen Jahrzehnten überzeugt gesungen. Zudem ist der jugendliche Musikgeschmack diesmal gar nicht so weit von meinem entfernt. So what!

Die „Jugendgruppen“ stellen sich dann als im Schnitt knapp 50-jährige heraus, die zusammen mit Freunden über Pfingsten grillen, leben und feiern. Es ist das erste mal, dass auf einem Campingplatz so gar nicht auf Frühruhe, Mittagsruhe, Nachtruhe, auf geschlossene Tore und heruntergelassene Schranken geachtet wird.

Skandalös.

Blick auf unseren neuen Platz direkt am See.

Blick auf unseren neuen Platz direkt am See.

Eine Begebenheit auf einem anderen Campingplatz mit der üblich strikten Regulierung der Mittagsruhe (13.00 bis 15.00 Uhr) und der Nachtruhe (22.00 Uhr bis in diesem Falle sogar 8.00 Uhr) möchte ich nun doch zum Besten geben.

Wir mussten für einen Auftritt um 7.30 aus dem Platz fahren. Ich hatte einen Chip für die Schranke. Nur leider keinen Schlüssel fürs Tor. So standen wir innerhalb des Tores – Fahrtrichtung auswärts. Fahrtrichtung einwärts stand ein kleines Lieferfahrzeug für den Shop, das gerade hereingefahren sein musste.

„Entschuldigung, wir müssen zu einer Aufführung. Können Sie uns das Tor öffnen?“
„Das Tor ist bis 8.00 Uhr geschlossen“
„Wir können aber nicht bis acht Uhr warten. Wir müssen Theater spielen“
„Selbst wenn ich einen Schlüssel hätte, würde ich nicht öffnen. Bis 8.00 Uhr ist auf diesem Campingplatz Ruhezeit“
„Aber ich fahre doch raus. Ich fahre doch nicht mehr auf dem Platz. Das habe ich doch schon getan.“ Sage ich zugegebener weise leicht sauer und nervös.

Großer Fehler. Damit beiße ich natürlich erst recht auf Granit. Letztendlich finde ich zwei Gärtner die mit Ihrem Kleinlaster herum fahren und mir lächelnd öffnen. Wenn blicke töten könnten. Im Rückspiegel sehe ich, wie der kleine Lieferwagen mit der tödlich blickenden Dame durch den Campingplatz fährt. Es ist 7.35 Uhr.

Für Kerrin und mich ist heute Bürotag total. Wir haben in den letzten Wochen sorglos alles auf die Seite geschoben, was uns wichtig war. Jetzt blicke noch nicht mal ich durch. Eine neue Ausrichtung, neue Schwerpunkte, neue Fotos und Texte. Puh!

Wir kämpfen und durch, soweit es eben geht. Erfolgreich. Ein gutes Stück der Arbeit ist am Abend erledigt. Knochenarbeit. Und ich ziehe meinen Hut vor all den Autoren und Reportern, die aus einer Unzahl von Informationen und Wahrnehmungen eine spannende und schlüssige Geschichte zaubern.

Ziehe meinen Hut vor diesen Akademikern. Wir brauchen Euch. Unbedingt !

Vom Wünschen und Träumen

23. Tag – zweiundzwanzigster Mai

Edersee. Zumindest fast. Kerrin hat aus dem halben Dutzend Campingplätzen ihren Favoriten ausgewählt. Die Adresse spricht für sich: „Zum Träumen 1 A“.

Am Empfang blicke ich in mitleidvolle Gesichter: „Über Pfingsten? Ohne Voranmeldung? Ab morgen ist hier alles voll“. Ich bleibe optimistisch und erzähle dass ich als Hans im Glück von Natur aus ein besonders vertrauensvolles Verhältnis zum Glück habe. Und tatsächlich, etwas abseits bei den Dauercampern ist gerade heute ein Plätzchen frei geworden. Doch wieder lohnt sich ein Nachfragen. Mit der Bereitschaft, den Stellplatz zu wechseln, ziehen wir das ganz große Los: Zwei Nächte direkt an einem kleinen See. Das Glück fährt mit, kein Zweifel.

Als ich für unsere Arbeit einen Schlüssel für das W-Lan hole ist der Besitzer des Campingplatzes da. Ich nenne ihm unsere Platznummer und ernte ein verwundertes „Wie haben Sie das denn gemacht?“ Ein lächelnder Blick gen Himmel: „Ich habe es mir gewünscht…“

„Sprechen Sie auch mit dem Universum?“ fragt er mich zu meinem Erstaunen.
„Ja, und ich nehme seine Angebote auch gerne an.“

Wir kommen ins Gespräch und sind uns einig. Man muss seine Wünsche ans Universum sehr konkret äußern, dankbar sein und dann klappt das.

Er bucht mich spontan für eine Aufführung von „Hans im Glück“ auf seinem Platz. Für Sonntagabend. Er wird mit seiner Gitarre im Lagerfeuerschein als Vorgruppe spielen, dann erzähle ich vom Hans im Glück. Sonntag ist mein Geburtstag. Der Besitzer des Platzes ist begeistert: „Da machen wir Dir ein schönes Geburtstagsfest mit 200 Gästen!“

Gerade hat er angerufen. Wenn wir morgen auf einen anderen Stellplatz umziehen müssen, können wir auf die Halbinsel. Da hat gerade jemand abgesagt. Auch so ein Traumplatz am Wasser. Man muss es sich nur wünschen…

Unterwegs "zum Träumen 1"

Unterwegs „zum Träumen 1“

Kerrin und ich machen noch eine Wanderung. „In die Wildnis 2“ verspricht der Wegweiser, direkt gegenüber von „Zum Träumen 1“. Ein verträumter Weg führt in den Nationalpark Kellerwald – Edersee. Wildnis? Naja familientaugliche Wildnis… Aber schön ist es hier allemal. Zwischen dem lichten Grün der Buchen läuft es sich ganz wunderbar, durch den nach Sturm Kyrill naturbelassenen Teil des Waldes sogar ein wenig „wild“. Spannend, zu sehen, wie sich der Wald hier regeneriert und zwischen dem Braun der trockenen Stämme sattes Grün schon bald einen dichten Wald verspricht…

Hierzu ein Filmtipp: Into the wild. Hier geht es wirklich in die Wildnis. Der Regisseur Sean Penn hat sich einer wahren Begebenheit angenommen und die Geschichte eines jungen Mannes verfilmt. Er sehnt sich nach einem Leben in absoluter Freiheit. Und sucht sie, kompromisslos. Mit einem dramatischen Ende.

rb, kh

Auf den Weg ins Grüne - "In die Wildnis 2"

Auf den Weg ins Grüne – „In die Wildnis 2“