Von der ersten Reihe

19. Tag – der achtzehnte Mai

Die erste Reihe hat im Theater so ihre Tücken. Man sieht am besten, ist nah dran. Ich sitze gerne in der ersten Reihe. Obwohl, manchmal scheue ich auch davor zurück. Ist es gefährlich? Zu nah dran? In hunderten von Aufführungen wurden die Zuschauer der ersten Reihe mit Wasser bespritzt, auf die Bühne gebeten, als unfreiwilliger Mitspieler hineingezogen in ein Spiel, das nicht ihr Spiel war, wurden sie in die Öffentlichkeit gezerrt, mussten gute Miene zum bösen Spiel machen. Schutzlos ist man dem Geschehen auf der Bühne ausgeliefert.

Die erste Reihe füllt sich heute in der Gesamtschule Obersberg in Bad Hersfeld als letztes. Natürlich auch, weil da unsere niedrigen Buchenholzbänkchen stehen. Sie werden auch nur gut halb gefüllt. Es gibt Alternativen.

Kreishandwerksmeister, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft und die Schulleiterin hatten keine Scheu und nehmen zu meiner Freude dort Platz. Wenn ich im Stück die ganzen alten Sprüche aus dem Handwerk hervorhole, kann ich keinen besseren Zuschauer haben, als einen Handwerksmeister, der das alles so gut kennt. Und wenn ich merke, dass ich eine Schulleiterin auch in den Bann der Geschichte ziehen kann, dann bin auch ich berührt.

Die Schüler und Schülerinnen aus dem Hauptschul-, Realschul- und gymnasialen Zweig der Gesamtschule Obersberg sind bei der Sache. Es ist unglaublich ruhig. Dass ich sie erreicht habe sehe ich an der Schlange, die sich nach der Aufführung an meinem Wanderbuch bildet. Beim Umstellen der Stühle in gewohnte Reihen sehe ich, dass die Jungs auch gut anpacken können.

Ansturm auf das Wanderbuch

Ansturm auf das Wanderbuch

Wir fahren weiter an den Wißmarsee in der Nähe unseres nächsten Auftrittsortes in Gießen. Und jetzt stehen wir mit Wohnwagen und Arbeitstisch in der ersten Reihe, direkt am See. Dieser Platz ist für mich der aktuelle Favorit im „beste Arbeitsplatz-Ranking“ unserer Tour. Neben den landschaftlichen Reizen und der direkten Bademöglichkeit bietet er einen guten Internetzugang.

Halleluja

rb.

Vom Schwelgen in Erinnerungen, der großen Bühne und einem alten Handwerksmeister, der weiß, wie es sich gehört.

18. Tag – siebzehnter Mai

Bad Hersfeld, das sind für mich zuallererst die Bad Hersfelder Festspiele. Leider bin ich 2 Wochen zu früh um mir Aufführungen ansehen zu können. Sehr Schade. Da bleibt mir nicht viel mehr als das Schwelgen in Erinnerungen. Meine Frau Annette Hänning ist im Stück „Mit Herz und Hand“ die Vorlage für meine Jugendliebe Anna. Mit einem Superabitur zur Schneiderlehre, dann Meisterin, Arbeiten fürs Staatstheater. Entwurf und Nähen aller Kostüme für eine Kinderoper. Für Figurentheaterspieler hat sie Ausstattungsarbeiten ausgeführt, was sie letztendlich selbst zum Figurentheater gebracht hat.

Stiftsruine Bad Hersfeld

Stiftsruine Bad Hersfeld

Im Sommer hat sie jahrelang für die Bad Hersfelder Festspiele genäht. Oft die ganz anspruchsvollen Kleidungsstücke. Ich habe sie gelegentlich besucht, und durfte mit zu den Generalproben. Das Musical „Jesus Christ Superstar“ ist mir noch in bester Erinnerung. Ich bewundere Schauspieler sehr, und Musicalsänger noch mehr, die sich dazu auch noch so toll bewegen können. Ich schreibe diese Zeilen direkt neben der Ruine, in der gerade das Musical Cabaret geprobt wird. Ausgerechnet das Lied „Der morgige Tag ist mein“, ein Lied, das mit noch viel mehr Erinnerungen aus meiner Jugend verbunden ist. Klavier und Gesang schallen zu mir herüber. Wieso fasziniert mich diese Welt so über alle Maßen?
Das tapfere Schneiderlein, schafft 7 auf einen Streich

Das tapfere Schneiderlein, schafft 7 auf einen Streich

Heute habe ich unterwegs einen alten Handwerksmeister getroffen, der gerade auf einem Spaziergang mit Kindern und Enkeln unterwegs war. Folgendes Gespräch möchte ich gerne wiedergeben:
„Sind Sie auf der Walz?“
„Nein, ich spiele Theater für Jugendliche um Ihnen das Handwerk näher zu bringen“
„Und fangen Sie Ihren Spruch mit – Gott segne unser ehrenhaftes Handwerk – an ?“
„Nein“
„Dann sind sie auch nicht auf der Walz“
„Das hat er doch gesagt, Opa“
„Aber ich ende meinen Richtspruch mit den Worten – der letzte Schluck gebührt der Ehre, des Handwerks dem ich angehöre“
„Na dann ist ja alles gut“

Dann ist ja alles gut. Er hat mir gefallen, der alte Handwerksmeister, der auf sein Leben und sein Handwerk mit Stolz zurückblickt und dem Gottes Segen dabei immer wichtig war.

In Bad Hersfeld begegnen uns auch wieder die Deutsche Märchenstraße und die Brüder Grimm. Im „Wortreich“ einem Museum mit und über die deutsche Sprache sowie davor mit einer wunderbaren Bronzefigur „7 auf einen Streich“ der Künstlerin Erika Maria Wiegand. Von Ihr geschaffen, steht in Hofgeismar die Figur „Hans im Glück“. Mein Pendant sozusagen.

Text rb
Foto rb

Von Jungbrunnen, verschlossenen Märchenhäusern und wahren Ausbaumeistern

17. Tag – sechzehnter Mai

Ich bin mit dem Fahrrad auf dem Bahnradweg Rotkäppchenland unterwegs. Gut 70 km. Heute will ich mal Strecke machen. Mühelos fahre ich trotz Gegenwind zügig bergauf. Ich fühle mich stark, jung und frei. Ein wunderbares Lebensgefühl, das allerdings hauptsächlich von einem kraftvollen Bosch-Elektromotor gespeist wird. Ich sitze zum ersten mal in meinem Leben auf einen E-Bike. Tolle Sache.

Dürfen richtige Wanderburschen eigentlich auf einem Fahrrad auf die Walz gehen? Warum denn nicht? Einen Nachteil hat das schnelle Reisen auf jeden Fall. Für viele Begegnungen am Wegesrand bin ich mit meinem E-Bike zu schnell. Dafür haben mich noch nie so viele Menschen so offensichtlich angelächelt. Ein Typ in Kluft auf einem Fahrrad, das lädt jung und alt zum Schmunzeln ein. Unterwegs bestaune ich eine ganz wunderbare Holzfigurengruppe von einem Künstler namens Kurt Makowski.

Radwandern ist doch auch eine Wanderschaft... oder?

Radwandern ist doch auch eine Wanderschaft…

In Neukirchen möchte ich unbedingt das Märchenhaus besuchen um Neuigkeiten über das Wirken der Brüder Grimm zu erfahren. Doch diesmal habe ich leider Pech. Weder Rotkäppchen, noch Rapunzel gewähren mir eine Audienz. Das Märchenhaus ist an den Wochenenden meistens geschlossen. Schade. Am Endpunkt meiner Reise sind wir beide ziemlich nassgeregnet und total schlapp. Der Fahrrad-Akku und ich. Weiter geht’s mit Transporter und Wohnwagen.

Am Campingplatz weiß der Besitzer schon über mich Bescheid: „Sie kommen zum Sprintertreffen. Platz 200 bis 270. Es sind schon 40 da.“ Mein Zugfahrzeug ist zwar ein Mercedes Sprinter, aber von einem Treffen weiß ich nichts. Das Sprintertreffen interessiert mich natürlich sofort. Also Platz 204. Die meisten Fahrzeuge sind mit sehr viel Liebe zu Wohnmobilen ausgebaut. Keines gleicht dem anderen. Hier sind wahre Meister am Werke. Gucken gerne erlaubt. Eines gefällt mir besonders gut, weil es in Perfektion mit Holzmöbeln und Holzwänden eingerichtet ist. Alles in Eigenbau.

Der Besitzer ist Anlagenbaumeister. Die Technik ist vom allerfeinsten. 700 m Kabel, ein Sicherungs- und Schaltschrank mit einer Technik, die bestimmt auch eine kleine Industrieanlage steuern könnte. Und das Holz? Wie kommt es dazu? Der Sohn baut als Hobbyschreiner gerne etwas aus Holz. Die Lust dazu und die nötigen Kenntnisse hat er an seiner Schule gelernt. Er ging auf eine Waldorfschule. Ich sehe mir die Möbel genauer an. Da könnte ich nicht mithalten, und da zieht bestimmt auch so mancher Schreiner seinen Hut. Gratulation an Vater und Sohn.

Zu Gast bei Rotkäppchen

Zu Gast bei Rotkäppchen

Ich sehe mir alle Fahrzeuge an und sammele schon mal Ideen für ein Theater-Tour-Mobil. Das Riesengespann mit Wohnwagen ist nur eine Notlösung. Mit einem Tourmobil kann man in den Städten in denen die Aufführungen sind auf einem Mobilstellplätzen übernachten, und hat im Gegensatz zu den abgelegenen Campingplätzen auch Internetzugang für die Büroarbeit. Und dieses Tourmobil, das wird dann auch ein Unikat. Ich sehe mich schon voller Stolz stehen, bei einem Sprintertreffen irgendwo auf dieser Welt. Die Schiebetüre weit geöffnet. Das habe ich gebaut. Im Gepäckabteil habe ich mindestens 4 m³ Brennholz dabei, für das Sprintertreffenlagerfeuer.

Sprintertreffen

Sprintertreffen

Von geglückten Experimenten und lebhaften Kindern

16. Tag – fünfzehnter Mai

Kinderakademie Fulda. Heute spiele ich das Stück „Hans im Glück – oder der Traum vom Fliegen“ vor Kindergartenkindern. Das Stück ist für Grundschüler, Familien und Erwachsene inszeniert.

Kerrin wünscht mir viel Glück… Ich hatte das Stück gestern gedanklich an mein heutiges Publikum angepasst und muss mich auf mein Gefühl und meinen Zugang zu kleinen Kinderherzen verlassen.

Es ist ganz wunderbar. Die rund 50 Kinder sind von Anfang voll an dabei, gehen mit dem Stück mit und geben mir bei Zeiten wichtige Lebenstipps. „Dann zieh doch los“ „Du must das machen“. Wir trauen Kindern oft viel zu wenig zu. Am Ende wollen sie gar nicht gehen, alles wissen, alles ausprobieren. Ich bin umringt. Ein Junge drückt mich. Die beiden Kinder, die schon schreiben können, tragen sich in mein Wanderbuch ein.

Ich bin beglückt. Jetzt kann ich für Menschen von der KiTa bis zum Greis Theater spielen, vor allem für Kinder um die 5 bis zu Jugendlichen im letzten Schuljahr. Kann Ihnen Gedanken zum Leben und zu Lebenswegen nahe bringen, Anstupser geben.

Und in dieser Woche kommt die aktuelle Ausgabe der Deutschen Handwerkszeitung raus mit einem fabelhaften Artikel zur Tour.
Herz, was willst du mehr.

"Ja dann geh doch los!" - das KiTa Publikum fiebert mit Johann mit.

„Ja dann geh doch los!“ – das KiTa Publikum fiebert mit

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Begeisterung, Neugierde

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Eine Maßweste… nach 30 Jahren!

rb

Von märchenhaften Bäumen und den Brüder Grimm

14. Mai – fünfzehnter Tag

Marburg, alte Universitätsstadt, malerische Altstadt mit prächtigen Bauten.
Wir begeben uns auf die Spuren der Brüder Grimm. Jacob und Wilhelm Grimm haben an der Universität Marburg studiert. Dort erhielten sie erste Anstöße zur Beschäftigung mit der Poesie des Volkes.

Wir steigen Stufe um Stufe bergauf. Ein ehemaliges Kloster unterhalb der Kugelkirche beherbergt heute Räume der Universität. Oberhalb ragt auf einer kleinen Wiese ein alter Walnussbaum schräg in den Himmel. Dort lernen wir den Mann kennen, der zusammen mit seiner Frau den Klostergarten pflegt und uns auf die Wiese bittet. Er erzählt uns, dass der Baum jedes Jahr körbeweise Nüsse trägt. Weil er ja so offensichtlich umzufallen droht, werde regelmäßig seine Standfestigkeit überprüft. Und jedes Mal wäre das Ergebnis gleich: Der Baum ist kerngesund und standfest. Warum er so schief gewachsen ist, kann niemand so richtig erklären. Manchmal gehen auch Bäume eben ihre eigenen Wege.

Leider vergesse ich, den Mann nach seinem Lebensweg zu fragen. Er hat ein sehr feines Gespür für Pflanzen, für Architektur und den respektvollen Umgang mit den Dingen. Vielleicht lesen Sie ja diese Zeilen. Ihr Weg interessiert mich.

StadtMarburg_Grimm-1-Blog

Begegnung an der Kugelkirche Marburg

In der Barfüßerstraße entdecken wir das Haus Nr. 35, in dem Jakob und Wilhelm Grimm von 1802 bis 1805 gewohnt haben. Sie sind ja die Überlieferer des Märchens vom „Hans im Glück“. Also so etwas wie meine Paten. Danke Jungs, gut gemacht!

Vom verwunschenen Auenland an der Lahn müssen wir heute Abschied nehmen. Schön, dass man nicht bis nach Neuseeland fahren muss, um ein echtes Auenland zu erleben! Es geht durch eine waldreiche Gegend mit endlos verschlungenen Straßen weiter bis in die Nähe von Fulda.

Hier locken morgen ganz neue Herausforderungen… ich bin gespannt.

Auf dem "Grimmdich-Pfad" unterwegs

Auf dem „Grimmdich-Pfad“ unterwegs

Von einer bestandenen Gesellenprüfung und vom Bergfest

14.Tag – dreizehnter Mai

Besuch im BZ des Baugewerbes

Aufführung heute im BZ des Baugewerbes Marburg. Ein wunderbarer Rahmen in einer echten Werkstatt mit einem echten Musterhaus im Hintergrund. Heute kann ich ganz leicht erklären, was ein Zimmermann macht.

Ca. 100 Jugendliche besuchen erst einmal die verschiedenen Werkstätten, bevor sie im „Werkstatttheater“ Platz nehmen. Ich werde vorgewarnt. Einige Plätze in den ersten beiden Reihe bleiben zum Glück frei, die der Leiter des Bauzentrums rasch mit den sonst ganz hinten sitzenden „Spezialisten“ besetzt. Super.

Schon bei der kleinen Ansprache des stellvertretenden Kreishandwerksmeisters, einem Zimmererkollegen, ist sofort klar, wer hier „Leben“ in die Vorstellung bringen will. Und hier hilft mir jetzt die Nähe zum Publikum. Das Stück ist interaktiv. Die Zuschauer werden einbezogen. Und natürlich ganz besonders meine Freunde aus der ersten Reihe. Manchmal muss man hierbei auch Umwege gehen, weil die ganz „coolen“ Jungs mich ja gar nicht erst ansehen, sondern als Mittelpunkt einer Clique mit ihren Kumpels zu tun haben. Dann muss es eben über die Kumpels gehen.

Handwerk trifft Kultur - Auftritt im BZ d. Baugewerbes Marburg

Handwerk trifft Kultur – Auftritt im BZ d. Baugewerbes Marburg

Wenn ich Jugendtheater machen will, muss ich mit solchen Situationen umgehen lernen. Heute gelingt es, und ich bin einfach nur glücklich und stolz. Die Vorstellung läuft prima und weitgehend störungsfrei.

Bei dem traditionellen Richtspruch auf der Leonardo da Vinci – Brücke spricht mein Zimmererkollege die letzten Worte des Richtspruches hörbar mit : „Ein letzter Schluck gebührt der Ehre, des Handwerks dem ich angehöre.“
Und da ist sie wieder. Diese Verbindung zwischen Menschen. Dieses Berührtsein.

Das war heute meine Gesellenprüfung!

Der Erfolg wird dadurch abgerundet, dass heute neben der lokalen Presse auch der hessische Rundfunk in der Vorstellung ist.

Unter Zimmerern: Im Gespräch mit dem Kreishandwerksmeister

Unter Zimmerern: Im Gespräch mit dem Kreishandwerksmeister

Halbzeit der Tour, Bergfest. Ein erster Rückblick.

Vor zwei Wochen sind Kerrin und ich losgezogen. Es fühlt sich an wie Monate. Viele Erlebnisse und Begegnungen liegen hinter uns.

Viele Erfahrungen sind gemacht, die meisten Fragen sind beantwortet:
Kommt das Stück an bei Jugendlichen? – Ja!
Bin ich der Aufgabe gewachsen? – Ja!
Wie muss ich es spielen?
– Variierend, je nach Konzentration und Aufnahmefähigkeit des Publikums
Wie ist das passende Setting?
– Publikum ganz nah, keine Bühne, kein Licht, kein Ton, Aktion pur
Vor wie vielen Zuschauern kann man das Stück spielen? 200 Zuschauer.

Eingespieltes Team, Arbeitsplatz direkt im Auenland - nur keine Hobbits in Sicht... noch nicht.

Eingespieltes Team, Arbeitsplatz direkt im Auenland – nur keine Hobbits in Sicht… noch nicht.

Meine Aufmerksamkeit für den zweiten Teil der Tour lege ich jetzt erst mal auf das kleine Vorgespräch und die Besprechung nach dem Stück. Meine neue Baustelle.

Ich ermuntere ja die jungen Menschen : „Sucht euren eigenen Weg ins Leben“. Zugleich begegne ich unterwegs vielen beeindruckenden Menschen, die von ihrem Weg erzählen, der oft eben nicht gerade war.

Unser kleines Team mit Kerrin und mir hat sich super eingespielt. Kerrin macht einen Superjob. Zeiten der Entspannung werden mehr. Und es macht Spaß!

Mittlerweile sind Idee, Tour und Stücke auch in der Öffentlichkeit angekommen. Die lokale Presse kommt und berichtet. Ich freue mich sehr auf den bundesweiten Bericht der Deutschen Handwerkszeitung. Radio und hessisches Fernsehen finden die Geschichte spannend.

Neben den Jugendlichen bedanken sich auch sehr oft Lehrkräfte. Die Fixierung gerade auch der Eltern auf eine möglichst lange schulische Bildung ihrer Kinder verhindert oft genug geradezu einen zeitlich richtigen Übergang in die Praxis. Die Unsicherheit vieler Schüler lässt sie auf dem ihnen bekannten schulischen Weg als den einzig möglichen verharren. Die Lehrer sind froh, dass sich da jemand auf die Bühne stellt und authentisch darstellt: „Ich habe studiert, und? Im Handwerk habe ich meinen Platz, mein Auskommen und mein Glück gefunden.“ Die Schüler und Schülerinnen sind an dieser Biografie sehr interessiert.

Der Unterschied im Wertesystem zwischen Schule und Lehre ist auf allen Ebenen wahrnehmbar. Wir hören, dass selbst in der Ausstattung von Schulen die Gymnasien stark bevorzugt werden.

Wir freuen uns über die Rückmeldungen, die wir in Bezug auf unser Reisetagebuch, auf unterschiedlichen Wegen erhalten. Danke!

Ein ganz großes „Danke Schön“ an dieser Stelle an den Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Kassel, Herrn Horbrügger, der diese Tour zum Laufen gebracht hat, an Herrn Benjamin Schäfer, der ganz am Anfang einen entscheidenden Impuls gesetzt hat, an die hessischen Kreishandwerkerschaften und natürlich an die Sparkassen Hessens für Ihr Engagement, an die Regisseurin Ann Dargies und die Autorin Michaela Bochus für ihre tolle Arbeit.

Gehabt Euch Wohl

Nun denn, mein Herz. Gönn Dir` auf dem Berg eine kleine Pause, und dann mit allem Elan und ganzer Kraft in die zweite Hälfte der Tour. Immer näher an meine neue Heimat Liebenau. Liebe Grüße an Annette, Anna und Paulina. Ich freue mich auf Euch.

rb

Von Autogrammjägern und wilden Brückenbauern

13.Tag – zwölfter Mai

Jacob – Mankel – Schule in Weilburg. So viele Treppen wie eine Burg hat die Schule allemal. Sehr freundliche Atmosphäre, diese Schule ist mir sofort sympathisch. Drei Klassenräume können hier ziemlich raffiniert zu einem großen Raum zusammengelegt werden.

Eine Aufführung, in der alle Zuschauer von Anfang mitgegangen sind. Kein einziger, der erst mal auf „cool“ machen musste. War für mich ein tolles Erlebnis. Im Publikumsgespräch ging es viel um Vertrauen, dass man den jungen Leuten entgegenbringen sollte. Nach dem Abschlussgespräch sind die Schüler und Schülerinnen einfach sitzen geblieben. Also ich meine, lange sitzen geblieben.
Wie ist es so als Architket? Gespräche im Anschluss an die Aufführung

Wie ist es so als Architket?

Naja, dann bitte, also, wenn Ihr wollt, lauft über die Brücke, zerlegt sie, bitte schön.

So oft und so schnell wurde die Leonardo-Brücke noch nie zerlegt und wieder aufgebaut. Die wollten gar nicht aufhören damit! Tja, und dann war ich wirklich berührt: Fünf Jungs haben mir erklärt, wie toll sie das Stück fanden, und alle wollten ein persönliches Autogramm.

Brilliant! Die Baumeister von Wilburg

Brilliant! Die Baumeister von Weilburg

Weiterfahrt nach Marburg ins Auenland, einem traumhaft schönen Campingplatz außerhalb, in einem wunderbaren Talabschnitt an der Lahn. Abendessen direkt an einer kleinen Stromschnelle. Dort hört man nicht nur das Wasser, man riecht auch seinen frischen Duft. Die Lahn muss ich mit meiner Familie einmal mit unserem Kanu befahren. Die Landschaft ist einfach traumhaft schön!
Traumhafter Arbeitsplatz im "Auenland"

Traumhafter Arbeitsplatz im „Auenland“

Wir haben Glück mit unseren Plätzen. Sie liegen ruhig, abseits und idyllisch, haben aber oft keinen oder nur einen unglaublich langsamen Internetzugang. Das stellt sich bei unserer Reise mehr und mehr als Arbeitserschwernis heraus. Kerrin erledigt deshalb viele Büroarbeiten im Auto unterwegs, auf der Flucht vor den Funklöchern. Oder wir arbeiten, schreiben und telefonieren so wie heute vor den Auftritten in der Schule. Heute sind wir dabei von der Schulleitung persönlich bestens versorgt worden.

Vielen Dank!

Bestens verpflegt von der Schulleiterin höchst persönlich - Luxus!

Bestens verpflegt von der Schulleiterin höchst persönlich – Luxus!

Von zarten Versen und wuchtigen Stämmen

12. Tag – elfter Mai

Morgens Fahrt zur Erich-Kästner-Schule nach Oberursel. Erich Kästner ist als Erzähler ein Vorbild für mich. Er kann tiefe Lebensweisheiten ganz leicht und selbstverständlich vermitteln. Das Interesse von Schulleitung, Kreishandwerkerschaft und Sparkasse an meiner „Mission“ ist sehr anerkennend. Die Vorstellung mit ca 100 Zuschauern wunderbar.

Aktion auf der Bühne

Aktion auf der Bühne

Spannung im Saal

Spannung im Saal

Auf dem Heimweg halten wir noch einmal am Holzbildhauer-Symposium in Eppstein an.

Heute sind die Künstler bei der Arbeit zu bewundern. Ich lerne Wolfgang Folmer kennen. Er schneidet Gedichte von Hölderlin in die vorbereitete Oberfläche mächtiger Baumstämme. Es entstehen poetische überdimensionale Schriftrollen. Ohne Punkt und Komma fließen die Verse ins Holz. Ein Stück Entschleunigung in einer hektischen Welt. Vielleicht sind Baum und Gedicht im selben Jahr geboren worden. Er erzählt von Bäumen und ihren Geschichten, die die Zeit in das Holz geschrieben hat.

Ich finde, man müsste vor jedes Kultusministerium Deutschlands einen seiner Gedichtbäume legen, um die Schreibschrift zu retten, die vom Aussterben bedroht ist.

Natur_Blog

Ein feines Netz aus Poesie trifft auf seine Muse

Neun ausgewählte Künstler schaffen aus Abfallholz Skulpturen, jeder auf seine unvergleichliche Art und Weise.

Für mich, der als Zimmermann auf so vielfältige Weise mit dem Werkstoff Holz arbeitet, öffnet sich hier eine noch viel größere Welt der Möglichkeiten. Astrid Müller, eine Bildhauerin aus Kassel ist unter den Künstlern. Da wir heute nach Weilburg weiterziehen, kann ich die fertigen Arbeiten kann ich leider nur im Netz betrachten.

Das Abendessen kochen wir auf dem Campingplatz und essen direkt an der Lahn. Hessen ist immer wieder schön.

Im Gespräch

Im Gespräch mit Astrid Müller aus Kassel

Staunen beim Treffen mit ...

Staunen beim Treffen mit Wolfgang Folmer

Von Künstlern und Handwerkern

11. Tag – zehnter Mai

Legt dir das Leben Wackersteine in den Weg – bau ein Schloss daraus!

Beim Einkaufen sehen wir in einem Gartengrundstück bunte Türmchen und Zinnen zwischen den Bäumen hervorblicken. Wir klopfen, rufen am Gartentor und haben tatsächlich Glück. Der Baumeister, Günter Herr, steht auf den Zinnen seiner Burg und ruft: “Es ist offen”.

Ein Mann mit strahlend blauen Augen und einem gewinnenden Lächeln kommt uns entgegen. Günter Herr ist 86 Jahre alt. Er arbeitet mit Unterbrechungen seit 40 Jahren an seinem Traum. Das hält ihn jung, sagt er. Als gelernter Zimmermann war er auch im Schalungsbau tätig. Dort musste er immer die komplizierten Sachen machen, Treppen, runde Bauten, geschwungene Bauteile und so weiter. Günter Herr möchte noch viele Ideen umsetzen und betet jeden Abend, dass er gesund bleibt und 110 Jahre alt wird. Sein Werk erinnert mich ein wenig an Antonio Gaudi´s Kirche “Sagrada Familia” in Barcelona, die 1882 begonnen wurde und 2026 fertig werden soll. Nur baut hier nur ein einziger Mann mit seinen beiden Händen und dem Herzen am richtigen Fleck.

Jahr um Jahr auf- und ausgebaut zu einem echten Paradies

Jahr um Jahr auf- und ausgebaut zu einem echten Paradies

In seinem Burghof lädt er uns auf ein Radlerbier ein und erzählt aus seinem bewegten Leben. Seine Leidenschaft gehört schon immer der Musik. Lange spielte er Geige und begrüßte sein Publikum Abend für Abend mit den Worten: “Meine dämlichen Herren und meine herrlichen Damen”. “Ich hab´se all´verrückt gemacht” schwärmt er von dieser Zeit, in der er sich einen ungarischen Künstlernamen zugelegt hatte. Ich sehe in seine blauen Augen und glaube ihm jedes Wort.

Seine Lebensgeschichte und sein Umgang damit berühren Kerrin und mich sehr. Er hatte es wahrlich nicht leicht im Leben. Er sei ein Stehaufmännchen sagt er von sich selbst. Sein Resümee bewegter Jahre: “Auf meinem Lebensweg lagen viele große und schwere Wackersteine. Ich hab´ sie alle weggeräumt”. Ich finde, er hat sie nicht nur weggeräumt, er hat sich damit ein Schloss gebaut.

UnterSich

Träume aus den Wackersteinen eines Lebens

Träume aus den Wackersteinen eines Lebens

Findling mit Herz

Findling mit Herz

Das Verspielte trotzt jeder Bitterkeit des Lebens

Das Verspielte trotzt jeder Bitterkeit des Lebens

Haus aus tausend Träumen

Haus aus tausend Träumen

Unweit des Campingplatzes findet gerade das 6. Holzbildhauer-Symposium “ZEITZEUGE HOLZ” statt. Die Künstler arbeiten von heute an eine Woche an ihren Werken und lassen sich dabei über die Schulter gucken. Eine ganz andere Art mit dem Holz umzugehen, als wir Zimmerleute. Obwohl die Werkzeuge oft identisch oder ähnlich sind. Fotowände mit Arbeiten der vergangenen Jahre zeigen ein unermesslich breites Spektrum an Ideen und starke Kunstwerke aus dem Material Holz. Leider müssen wir morgen weiter ziehen und können uns die Ergebnisse bestenfalls im Netz ansehen.

Text rb
Foto kh

Von afrikanischen “Königinnen”, vom Fussball und der Handwerkskammer Wiesbaden.

10. Tag – neunter Mai

Mary, eine Frau, die vor 12 Jahren aus Äthiopien nach Deutschland kam, ist gute Seele, Mama und Königin des Campingplatzes. Sie spricht vier oder fünf Sprachen, erzieht ihre 2 Kinder, versorgt die auf dem Campingplatz lebenden Asylbewerber mit Arbeit und Zuwendung, ist resolut und charmant und kann auch nach 10 Stunden Arbeit noch gewinnend lächeln.

Von ihr werde ich eingeladen, zusammen mit Asylbewerbern aus aller Welt das Fußballspiel SV Wehen-Wiesbaden gegen Arminia Bielefeld zu besuchen. Warum nicht? Im Stadion staune ich nicht schlecht, denn in einem Block sind reihenweise Tragetaschen einer Imagekampagne des Handwerks auf den Sitzen verteilt. Die Handwerkskammer Wiesbaden hat anlässlich ihres Handwerkstages 400 Karten an Ihre Mitgliedsbetriebe verlost. So lerne ich den Harald Brandes, den Hauptgeschäftsführer genauso kennen wie seinen Stellvertreter Bernhard Mundschenk und den Geschäftsführer / Leiter der Geschäftsstelle Mittelhessen, Dr. Martin Pott. Meine Kamera musste ich leider am Eingang abgeben, aber ich bekomme in 2 Tagen Fotos der Pressefotografin der Handwerkskammer. In Zimmererkluft aufgelaufen, werde ich von vielen Handwerkskollegen angesprochen. Weyen-Wiesbaden schlägt sich wacker gegen den Tabellenführer. 1 : 1

Auch auf der Rückfahrt im Bus zum Campingplatz ist das respektvolle Miteinander zu spüren. Eine heitere Atmosphäre zwischen Menschen, die bestimmt viel mitgemacht haben. Mary erklärt mir Ihre Lebensphilosophie, die denkbar einfach ist: “take life, as it is” (Nimm das Leben, wie es ist) Wir können von Afrika einiges lernen.

Mary and me

Mary and me

Träger des Handwerks

Träger des Handwerks


Auf dem Campingplatz lerne ich einen Softwareentwickler kennen, der sich nach dem Tod seiner Frau selbst einen Bundeswehr LKW zu seiner autarken Allroundwohnung umgerüstet hat. Er lebt jetzt nur noch in seinem LKW. Den Traum, diesen noch als Home-Office zu nutzen, macht sein Arbeitgeber (noch) nicht mit. Im Winter soll es mit dem wüstentauglichen Gefährt losgehen nach Südafrika.

Strom liefert die Solaranlage. 600 Liter Frischwasser sind an Board und eine Tankfüllung reicht für 2.000 km. Dann müssen allerdings 650 Liter Diesel nachgetankt werden. Gerade besucht ihn ein Freund aus der Schweiz, den er “on tour” kennengelernt hat. Dieser ist Rentner und lebt 50 Wochen im Jahr in seinem Wohnwagen. Im Winter immer im Süden Marokkos. In Zürich besucht er 2 Wochen im Jahr seine Kinder, Enkel, und seinen Sportwagen.

Truck