Von zarten Versen und wuchtigen Stämmen

12. Tag – elfter Mai

Morgens Fahrt zur Erich-Kästner-Schule nach Oberursel. Erich Kästner ist als Erzähler ein Vorbild für mich. Er kann tiefe Lebensweisheiten ganz leicht und selbstverständlich vermitteln. Das Interesse von Schulleitung, Kreishandwerkerschaft und Sparkasse an meiner „Mission“ ist sehr anerkennend. Die Vorstellung mit ca 100 Zuschauern wunderbar.

Aktion auf der Bühne

Aktion auf der Bühne

Spannung im Saal

Spannung im Saal

Auf dem Heimweg halten wir noch einmal am Holzbildhauer-Symposium in Eppstein an.

Heute sind die Künstler bei der Arbeit zu bewundern. Ich lerne Wolfgang Folmer kennen. Er schneidet Gedichte von Hölderlin in die vorbereitete Oberfläche mächtiger Baumstämme. Es entstehen poetische überdimensionale Schriftrollen. Ohne Punkt und Komma fließen die Verse ins Holz. Ein Stück Entschleunigung in einer hektischen Welt. Vielleicht sind Baum und Gedicht im selben Jahr geboren worden. Er erzählt von Bäumen und ihren Geschichten, die die Zeit in das Holz geschrieben hat.

Ich finde, man müsste vor jedes Kultusministerium Deutschlands einen seiner Gedichtbäume legen, um die Schreibschrift zu retten, die vom Aussterben bedroht ist.

Natur_Blog

Ein feines Netz aus Poesie trifft auf seine Muse

Neun ausgewählte Künstler schaffen aus Abfallholz Skulpturen, jeder auf seine unvergleichliche Art und Weise.

Für mich, der als Zimmermann auf so vielfältige Weise mit dem Werkstoff Holz arbeitet, öffnet sich hier eine noch viel größere Welt der Möglichkeiten. Astrid Müller, eine Bildhauerin aus Kassel ist unter den Künstlern. Da wir heute nach Weilburg weiterziehen, kann ich die fertigen Arbeiten kann ich leider nur im Netz betrachten.

Das Abendessen kochen wir auf dem Campingplatz und essen direkt an der Lahn. Hessen ist immer wieder schön.

Im Gespräch

Im Gespräch mit Astrid Müller aus Kassel

Staunen beim Treffen mit ...

Staunen beim Treffen mit Wolfgang Folmer

Von Künstlern und Handwerkern

11. Tag – zehnter Mai

Legt dir das Leben Wackersteine in den Weg – bau ein Schloss daraus!

Beim Einkaufen sehen wir in einem Gartengrundstück bunte Türmchen und Zinnen zwischen den Bäumen hervorblicken. Wir klopfen, rufen am Gartentor und haben tatsächlich Glück. Der Baumeister, Günter Herr, steht auf den Zinnen seiner Burg und ruft: “Es ist offen”.

Ein Mann mit strahlend blauen Augen und einem gewinnenden Lächeln kommt uns entgegen. Günter Herr ist 86 Jahre alt. Er arbeitet mit Unterbrechungen seit 40 Jahren an seinem Traum. Das hält ihn jung, sagt er. Als gelernter Zimmermann war er auch im Schalungsbau tätig. Dort musste er immer die komplizierten Sachen machen, Treppen, runde Bauten, geschwungene Bauteile und so weiter. Günter Herr möchte noch viele Ideen umsetzen und betet jeden Abend, dass er gesund bleibt und 110 Jahre alt wird. Sein Werk erinnert mich ein wenig an Antonio Gaudi´s Kirche “Sagrada Familia” in Barcelona, die 1882 begonnen wurde und 2026 fertig werden soll. Nur baut hier nur ein einziger Mann mit seinen beiden Händen und dem Herzen am richtigen Fleck.

Jahr um Jahr auf- und ausgebaut zu einem echten Paradies

Jahr um Jahr auf- und ausgebaut zu einem echten Paradies

In seinem Burghof lädt er uns auf ein Radlerbier ein und erzählt aus seinem bewegten Leben. Seine Leidenschaft gehört schon immer der Musik. Lange spielte er Geige und begrüßte sein Publikum Abend für Abend mit den Worten: “Meine dämlichen Herren und meine herrlichen Damen”. “Ich hab´se all´verrückt gemacht” schwärmt er von dieser Zeit, in der er sich einen ungarischen Künstlernamen zugelegt hatte. Ich sehe in seine blauen Augen und glaube ihm jedes Wort.

Seine Lebensgeschichte und sein Umgang damit berühren Kerrin und mich sehr. Er hatte es wahrlich nicht leicht im Leben. Er sei ein Stehaufmännchen sagt er von sich selbst. Sein Resümee bewegter Jahre: “Auf meinem Lebensweg lagen viele große und schwere Wackersteine. Ich hab´ sie alle weggeräumt”. Ich finde, er hat sie nicht nur weggeräumt, er hat sich damit ein Schloss gebaut.

UnterSich

Träume aus den Wackersteinen eines Lebens

Träume aus den Wackersteinen eines Lebens

Findling mit Herz

Findling mit Herz

Das Verspielte trotzt jeder Bitterkeit des Lebens

Das Verspielte trotzt jeder Bitterkeit des Lebens

Haus aus tausend Träumen

Haus aus tausend Träumen

Unweit des Campingplatzes findet gerade das 6. Holzbildhauer-Symposium “ZEITZEUGE HOLZ” statt. Die Künstler arbeiten von heute an eine Woche an ihren Werken und lassen sich dabei über die Schulter gucken. Eine ganz andere Art mit dem Holz umzugehen, als wir Zimmerleute. Obwohl die Werkzeuge oft identisch oder ähnlich sind. Fotowände mit Arbeiten der vergangenen Jahre zeigen ein unermesslich breites Spektrum an Ideen und starke Kunstwerke aus dem Material Holz. Leider müssen wir morgen weiter ziehen und können uns die Ergebnisse bestenfalls im Netz ansehen.

Text rb
Foto kh

Von afrikanischen “Königinnen”, vom Fussball und der Handwerkskammer Wiesbaden.

10. Tag – neunter Mai

Mary, eine Frau, die vor 12 Jahren aus Äthiopien nach Deutschland kam, ist gute Seele, Mama und Königin des Campingplatzes. Sie spricht vier oder fünf Sprachen, erzieht ihre 2 Kinder, versorgt die auf dem Campingplatz lebenden Asylbewerber mit Arbeit und Zuwendung, ist resolut und charmant und kann auch nach 10 Stunden Arbeit noch gewinnend lächeln.

Von ihr werde ich eingeladen, zusammen mit Asylbewerbern aus aller Welt das Fußballspiel SV Wehen-Wiesbaden gegen Arminia Bielefeld zu besuchen. Warum nicht? Im Stadion staune ich nicht schlecht, denn in einem Block sind reihenweise Tragetaschen einer Imagekampagne des Handwerks auf den Sitzen verteilt. Die Handwerkskammer Wiesbaden hat anlässlich ihres Handwerkstages 400 Karten an Ihre Mitgliedsbetriebe verlost. So lerne ich den Harald Brandes, den Hauptgeschäftsführer genauso kennen wie seinen Stellvertreter Bernhard Mundschenk und den Geschäftsführer / Leiter der Geschäftsstelle Mittelhessen, Dr. Martin Pott. Meine Kamera musste ich leider am Eingang abgeben, aber ich bekomme in 2 Tagen Fotos der Pressefotografin der Handwerkskammer. In Zimmererkluft aufgelaufen, werde ich von vielen Handwerkskollegen angesprochen. Weyen-Wiesbaden schlägt sich wacker gegen den Tabellenführer. 1 : 1

Auch auf der Rückfahrt im Bus zum Campingplatz ist das respektvolle Miteinander zu spüren. Eine heitere Atmosphäre zwischen Menschen, die bestimmt viel mitgemacht haben. Mary erklärt mir Ihre Lebensphilosophie, die denkbar einfach ist: “take life, as it is” (Nimm das Leben, wie es ist) Wir können von Afrika einiges lernen.

Mary and me

Mary and me

Träger des Handwerks

Träger des Handwerks


Auf dem Campingplatz lerne ich einen Softwareentwickler kennen, der sich nach dem Tod seiner Frau selbst einen Bundeswehr LKW zu seiner autarken Allroundwohnung umgerüstet hat. Er lebt jetzt nur noch in seinem LKW. Den Traum, diesen noch als Home-Office zu nutzen, macht sein Arbeitgeber (noch) nicht mit. Im Winter soll es mit dem wüstentauglichen Gefährt losgehen nach Südafrika.

Strom liefert die Solaranlage. 600 Liter Frischwasser sind an Board und eine Tankfüllung reicht für 2.000 km. Dann müssen allerdings 650 Liter Diesel nachgetankt werden. Gerade besucht ihn ein Freund aus der Schweiz, den er “on tour” kennengelernt hat. Dieser ist Rentner und lebt 50 Wochen im Jahr in seinem Wohnwagen. Im Winter immer im Süden Marokkos. In Zürich besucht er 2 Wochen im Jahr seine Kinder, Enkel, und seinen Sportwagen.

Truck

Das hätte sich Leonardo nicht träumen lassen oder „Die Akrobaten“

9. Tag – achter Mai

Vom Tanz der Stuhlreihen und Brückenakrobaten

Elisabethenschule, eine Realschule. Turnhalle, hohe Bühne, ca 200 Zuschauer. Alles fertig und wie vorbesprochen reihen sich vor der Bühne die Stuhlreihen.

Eigentlich genau wie gestern. Aber nach den Erfahrungen der letzten Tage werfen wir das Konzept kurzerhand über den Haufen. Ich spiele ebenerdig im großen Zuschaueroval. Schüler werden geholt, die Stühle weg– und umräumen. Wir nutzen in der ersten Reihe unsere Bänkchen.

Wunderbar, jetzt sind alle nah dran am Geschehen. Ich kann jeden Schüler / Schülerin sehen, ansprechen, hören, auf die Fragen und Antworten eingehen.

Endlich ist der ideale Aufbau gefunden!

Bewährter Aufbau, gibt bis zu 200 SchülerInnen Platz

Die Aufführung verläuft ganz wunderbar. Das Konzept, das bereits in der Premiere Anwendung fand, funktioniert auch mit 200 Zuschauern bestens. Wir messen die Bestuhlung gleich aus und Kerrin hält das Setting fest, um es für weitere Aufführungen weiter zu geben. Das Beste daran ist: eine Turnhalle hat ja fast jede Schule und zur Not kann man zur Bestuhlung sogar Bierbänke mitbringen. Das macht es für die Schulen leicht.

Die Schüler stellen nach der Aufführung begeistert Fragen und viele balancieren über die Brücke. Am Schluss bleiben noch fünf Jungs in der Halle. Was ich da zu sehen bekomme, verschlägt mir den Atem. Die machen Handstände auf der Leonardo da Vinci – Brücke und gehen ab mit Salti!

In meinem Stück beschreibe ich ja auch meine Schulerlebnisse: “ Im Turnen war ich die letzte Niete…..” und das stimmt. Also Jungs “Hut ab”. Ihr wärt als Zimmerer auf dem Dach eine Wucht!

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Gebanntes Publikum in der Elisabethenschule

Im Labyrinth der umliegenden Straßen wird die Suche nach unserem Wohnwagen zu einem echten Abenteuer. Als wir unser rollendes Heim endlich entdecken, steht schon der freundliche Besitzer des Hauses parat, vor dessen Grundstück wir genächtigt haben. Doch er versteht die Situation und er kann meine Begeisterung gut verstehen, schließlich kennt er die Elisabethenschule ein wenig. Wenn 200 Schüler / Schülerinnen eine Stunde einem Solotheaterstück, quasi einem Monolog, so konzentriert zuhören, dann ist das auch für den Schauspieler ein Geschenk.

Danke!

Zimmermänner richten Zimmer her

8.Tag – der siebte Mai

Zwei Auftritte an einem Tag, in zwei Städten. Schau mer mal!

An die Geschäftsstelle der Kreishandwerkerschaft Hanau ist ein Ausbildungszentrum angegliedert. Das bedeutet für uns, dass unsere Bühne von zahlreichen helfenden Lehrlingshänden ruck-zuck aufgebaut ist. Das ist Luxus!
Zwei Schulklassen, kleiner Rahmen, wunderbar. Meine Frage, was ein Zimmermann arbeitet und welche Aufträge er erledigt kann nur ein einziger Junge beantworten: “Er richtet Zimmer her”.

Mich begeistert, wie viele fundierte Fragen im Anschluss an die Aufführung kommen, und als ich nach einem Pressegespräch wieder in den Aufführungsraum komme, ist alles schon ins Auto geladen. Handwerker halt, die einfach anpacken. Ein schönes Erlebnis in Hanau.

Derselbe Junge kommentiert auch das Geschehen im Stück ausgiebig und ist voll dabei. In all den Aufführungen ist er der erste Zuschauer, der den Spruch des alten Zimmergesellen Johann: “finde Dich heraus und Du erfindest Dich selbst” ganz wunderbar deuten kann. Bravo!

Interessierte Schüler und Schülerinnen in der KH Hanau

Interessierte Schülerinnen und Schüler in der KH Hanau

In Rodgau-Jügesheim wartet dann in der Georg-Büchner-Straße eine ganz wunderbare Schulaula mit perfekter Bühnentechnik auf uns.

Vier Schüler bedienen die Licht- und Tontechnik beeindruckend. Der Schulleiter Herr Döring, sowie der Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft, Herr Czupalla hatten sich bereits im Vorfeld ganz wunderbar um diesen Auftritt gekümmert.

Hohe Bühne, Headset und Tonanlage, 250 Sitzplätze tief gestaffelt. Die Interaktion mit den Schülern in den hinteren Reihen ist so leider kaum möglich, eine echte Herausforderung für Stück und Schauspieler.

Spät am Abend kommen wir geschafft in Hofheim, unserem morgigen Auftrittsort an. Der Campingplatz hat bereits geschlossen. Eine ruhige Seitengasse unweit der Elisabethenschule bietet uns für diese Nacht ein Zuhause.

22.30 Uhr
Feierabend und Gute Nacht!

Die große Bühne wartet.

Die große Bühne wartet.

Unsere Helden der Technik!

Unsere Helden der Technik!

Paul Ballmer erzählt aus seinem Leben und vom Handwerk

Paul Ballmer erzählt aus seinem Leben und vom Handwerk

Brücken bauen

7. Tag – sechster Mai

Heute steht ein Auftritt in der Wilhelm Heinrich v. Rhiel Schule in Wiesebaden –Biebrich an. Stephanie Storz–Leopold, die sehr engagierte und kompetente Stufenleiterin und Unterstützerin für die Berufsfindung dieser Gesamtschule erwartet uns schon. Fünf achte Klassen sollen in einer riesigen Turnhalle das Stück sehen. Trotz einer Verspätung unsererseits wird der Aufbau der Bühne und der Zuschauerbänke rechtzeitig fertig.

Im Gegensatz zu den beiden anwesenden Hausmeistern packen Frau Abraham, Geschäftsführerin der Kreishandwerkerschaft Wiesbaden, sowie Frau Storz-Leopold kräftig mit an. Harry Mulisch hat solch ein Szenario in seinem wunderbaren Buch “Die Entdeckung des Himmels” einmal dargestellt, indem er seinem Protagonisten Onno seine Wunschvorstellung vom Leben anhand einer Szene aus Afrika beschreiben lässt: (Ich zitiere aus dem Gedächtnis) “Während die Frauen fröhliche Lieder singend, in der sengenden Hitze hochschwanger die Feldarbeit verrichten, liegen die Männer matt und stöhnend im Schatten der Hütte die wichtigen Dinge des Lebens besprechend”

Die Schüler der Wilhelm Heinrich v. Riehl Schule haben über Praktika und sonstige Kontakte schon reichlich Erfahrung mit der Berufswelt und dem Handwerk. Klasse, es macht richtig Spaß mit diesem Publikum! Die wissen schon was und haben auch was zu berichten. Im Nachgespräch darf ich gefühlte 100 Fragen über das Theater, das Zimmererer-Dasein und nach meinem Leben beantworten.

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Hans im Glück mit Stephanie Storz–Leopold, Frau Abraham und Herrn Baltz

Schueler_Wiesbaden6Schueler_Wiesbaden

Sehr deutlich kommt das Thema der gefühlten unterschiedlichen Wertigkeit zwischen Lehre und Studium zur Sprache. Als studierter Architekt, der lieber Handwerker ist, kann ich da aus meinem Leben erzählen. Die Jungs und Mädels sind aufgeschlossen und interessiert. Auf die Frage: “Habt Ihr Träume?” höre ich viele Antworten. Klasse! Viele Zuschauer haben ganz schnell gewusst, was ich da in der Turnhalle baue, und gehen jetzt mutig über die Leonardo da Vinci – Brücke, die ohne Nägel und Schrauben hält. Danach wird die Brücke einmal ruck-zuck von den Jungs ab- und fachmännisch wieder aufgebaut. Einfach super!

Für mich war diese Aufführung ein ganz besonders schönes Erlebnis und gibt mir richtig Schwung für die morgigen Auftritte in Hanau und Offenbach.

Text rb
Foto kh
Redaktion kh

Bruecken

Taffe Brückenbauer von der Wilhelm Heinrich v. Rhiel Schule

Barbarossa auf der Maaraue und das Leben am Wasser

6.Tag – fünfter Mai

Mainz, Campingplatz auf der Maaraue. Umgeben von Wasser. Eine andere Welt.

Nach der Welt der engen Bergsträßchen und verzauberten Thälern rauscht jetzt der Rhein an uns vorbei und zieht uns in den Bann einer wahrhaft maritimen Welt. Vor uns der große Rhein auf dem Lastkäne gemächlich vorbeiziehen. Die meisten haben neben der Ladung sogar ein Auto mit an Bord. Vor der Mainzer Stadtkulisse liegen Hotelschiffe vor Anker. Aus ihren kleinen Guck-Fensterchen bestaunen Touristen die wunderschönen Fassaden. An einem kleinen Flussarm reihen sich die Motorboote an einem langen Kai.

Das Meer scheint hier so nah!

Das Meer scheint hier so nah!

Meer

Bootsbauer! Ob die mit auf Walz kommen würden?

Ahoi! Ein Wanderbursche heuert an

Ahoi! Ein Wanderbursche heuert an

VorstandvorsitzernderOliver Markus mit seiner Frau und dem Hans im Glück

Vorstandvorsitzernder Oliver Markus mit seiner Frau und dem Hans im Glück

Wie es der Zufall will, lernen wir den Vereinsvorsitzenden des hiesigen Kanu-Clubs und seine Frau kennen. Ich darf auf dem Führerstand ihrer Jacht “Arielle” mal so tun “als ob”. Ob sie mich als Zimmermann auf Wanderschaft für die nächste Tour auch angeheuert hätten? Ja, so kann es auf der Walz auch vorwärts gehen, hier angeheuert und in einer anderen Welt wieder von Bord gegangen.

Leben am Wasser. Die einen verbringen ihr ganzes Arbeitsleben dort, das Auto für den Land-”Gang” immer mit dabei, die anderen ihren Urlaub. Unsere Gastgeber schippern in ihrer Freizeit über die Flüsse Europas. Bis nach Südfrankfreich ging es im letzten Sommer!

Kaum haben wir das Tor unserer heutigen Raststätte durchquert, lernen wir Rudolf Frank kennen. Er lebt mit seiner Frau, beide 72 Jahre alt, seit 10 Jahren im Sommerhalbjahr hier. Mit 60 haben er und seine Frau ihre Pension eingereicht und sind erst einmal zwei Jahre lang mit dem Wohnwagen kreuz und quer durch Europa gezogen. Jetzt verbringen sie im Winter ein paar Monate in der Türkei und den Rest des Jahres größtenteils hier. In ihre großen Wohnung hält es sie nie länger als ein paar Wochen: “Da werden wir verrückt”.

Der kleine Rudolf hat hier schon gespielt, als es noch gar keinen Campingplatz gab. Er kennt hier jeden Grashalm, jeden Baum und auch die Geschichte von Kaiser Barbarossa (Rotbart). Genau hier, auf der Maaraue hat er 1184 ein riesiges Fest abgehalten, zu dem aus ganz Europa 70.000 Ritter und Reisende geladen waren. Dafür wurde eigens eine riesige Zeltstadt errichtet. Das Ganze stelle ich mir gerade mal so als Organisationsaufgabe vor. Hut ab !

König Barbarossa ließ hier ein Fest mit über 70.000 Rittern feiern!

König Barbarossa ließ hier ein Fest mit über 70.000 Rittern feiern!

Eine ganz besondere Herausforderung

5.Tag – der vierte Mai

Auftritt im Mollerhaus in Darmstadt. Das Mollerhaus ist das Theaterhaus der freien Theaterszene Darmstadts, deren Vorsitzende Ann Dargies ist, meine Regisseurin. Die Vorstellung ist überbelegt, sodass nun endlich meine selbst gebauten Buchensitzbänke zu Einsatz kommen können. Ein wunderbares Theater, ansteigendes Gestühl, jede Menge Scheinwerfer. Allerdings das erste Mal, dass ich die hinteren Reihen gar nicht wirklich sehen kann und vier Schulklassen aus ganz unterschiedlichen Schularten. Das Alter der Jugendlichen liegt zwischen 13 und 18 Jahren. Eine echte Herausforderung.

Der erste Auftritt in einem richtigen Theater vor vollem Haus - spannende Herausforderungen warten

Der erste Auftritt in einem richtigen Theater vor vollem Haus – spannende Herausforderungen warten

Hans im Glück trifft auf die Kreishandwerkerschaft Darmstadt: Rainer Lamp (GF der KH Darnmstadt-Dieburg) und Joachim Höffler (Kreishandwerksmeister)

Hans im Glück trifft auf die Kreishandwerkerschaft Darmstadt: Rainer Lamp (GF der KH Darmstadt-Dieburg) und Joachim Höffler (Kreishandwerksmeister)

Ich schlage mich wacker, nehme die Gratulationen gerne an und bin dankbar für ein Nachgespräch mit Ann Dargies. Sie zeigt mir als Profi einige Möglichkeiten in der Stückgestaltung und gibt mir wichtige Hinweise, wie ich auf ein so unterschiedliches Publikum wie heute besser eingehen kann und wie ich solch “anspruchsvollen” Situationen noch besser meistern lerne. Es ist schließlich meine „Walz“ als Schauspieler, wahre Lehrtage. Danke, auch für interessante Nachbetrachtungen im Foyer bei Brezen und Drinks, die von der Sparkasse gesponsert wurden.

Ich freue mich schon auf ein Wiedersehen mit dem Mollerhaus im November, dann ist es für weitere drei Auftritte von „Mit Herz und Hand“ gebucht:

Sonntag 15.Nov. um 18.00 Uhr
Montag 16. Nov. um 9.00 Uhr und um 11.00 Uhr
Mollerhaus Darmstadt

Mit Herz und Hand dabei: Handwerk trifft Kultur

Mit Herz und Hand dabei: Handwerk trifft Kultur

Ein echtes Universalgenie: Hans-Jörg Applers vom Campingplatz "Oase der Ruhe"

Ein echtes Universalgenie: Hans-Jörg Applers vom Campingplatz „Oase der Ruhe“

Letzte Nacht in der Oase der Ruhe am Hintenausweg. Der überaus hilfsbereite und freundliche Besitzer, Hans-Jörg Alpers stellt sich immer mehr als Unsiversalbegabung heraus. Er hat gleich drei Meistertitel im Elektro-, Installations- und Sanitärbereich. Neben dem Campingplatz unterhält er noch zwei Firmen und sammelt und repariert alte Motorräder und Autos. Eines seiner Schätzchen ist ein alter VW – Pritschenwagen, ich glaube von 1965. Tja, und wenn sein Enkel auf die schnelle einen Tretroller braucht, dann holt der Opa aus seinem Fundus mühelos gleich zwei davon. Das erinnert mich sehr an meinen Bruder, der einen unermesslichen Fundus an einfach Allem hat, die Dinge dann auch findet und zusammen mit seinen Enkelkindern sehr einfallsreich einsetzt und verbaut. Herzliche Grüße an die alte Heimat.

Auf dem Platz angekommen lerne ich einen Herrn aus Valencia kennen, der in Bensheim arbeitet und seit November hier auf dem Campingplatz lebt. Diese Art zu leben interessiert mich sofort und ich erhalte vom Besitzer Auskunft. Es gibt Menschen, die seit mehr als 20 oder gar 30 Jahren hier auf dem Platz leben! Mitten im Grün dieser Oase der Ruhe. Sie arbeiten in den umliegenden Städten oder sind Rentner, Leben das ganze Jahr hier, oder auch teilweise. Inmitten der Natur einschließlich der nachts röhrenden Hirsche. Por qué no? Wie geht Leben?

Text rb
Foto kh

Von zierlichen Hoheiten und mutigen Handwerkerinnen

Vierter Tag – 3.Mai

Fängt verregnet an und hört verregnet auf.

Heute ist Bürotag, vor allem für Kerrin. Fotos und Texte bearbeiten, Film vom Weisswurstlied fertig stellen, Kontakte pflegen, Newsletter schreiben und so weiter. Ich bin begeistert, wie sie das alles so meistert. Zudem ist sie noch ein Organisationstalent und weiß einfach immer wo Ladekabel, Schlüssel und (ganz wichtig) das Kaffeepulver versteckt ist. Doch wenn ich mir sie so ansehe, da scheint es jetzt gerade doch ein wenig stressig zu sein, mit so einem Burschen auf Wanderschaft zu gehen…

Währenddessen bereite ich mich auf meine morgige Aufführung von “Mit Herz und Hand” vor und schreibe dafür eine Einführung. So wie sich das Publikum vor einer Opern- oder Theateraufführung in eine für sie fremde Welt oder vergangene Zeit einstimmen lassen kann, möchte ich die Jugendlichen hinführen, in die mittlerweile fremd gewordene Welt des Handwerks. Wird es morgen funktionieren? Ich bin gespannt.

Kreishandwerkerschaften kontaktieren, Fotos aussuchen, Filmchen schneiden, Schlüssel suchen und ganz wichtig: den Überblick behalten!

Kreishandwerkerschaften kontaktieren, Fotos aussuchen, Filmchen schneiden, Schlüssel suchen und ganz wichtig: den Überblick behalten!

Dann endlich, eine Regenpause! Wir bummeln am verkaufsoffenen “Frühlingssonntag” durch Bensheim mit seinen Verkaufsständen und der 9. Kunstmeile. Als Hans im Glück bekomme ich mühelos eine Audienz bei den versammelten Hoheiten, Königinnen und Repräsentantinnen verschiedenster Gesellschaften, z.B. bei der neuen Bensheimer Blütenkönigin Saskia Gottmann.

Kurz darauf lerne ich die Fraa vun Bensem kennen, die mir im Dialekt ihre Geschichte aus dem 30-jährigen Krieg erzählt. Das katholische Bensheim wurde dereinst von Schweden- und Franzosentruppen eingenommen, die wie damals üblich raubend und mordend durch die Gegend zogen. Die zur Hilfe eilenden bajuwarisch Soldaten gelangten nicht in die Stadt, bis eine mutigen Frau bei Nacht und Nebel ein Tor öffnete und die Bayern in die Stadt ließ.

Audienz bei den Hoheiten der Region

Audienz bei den Hoheiten der Region

Die Fraa vun Bensem ist zur Symbolfigur der Stadt geworden. Sie wird ganz wunderbar verkörpert von einer gestandenen Handwerksmeisterin aus dem Friseurhandwerk, die, wie es der Zufall will, von Meisterkollegen schon von meinem Auftritt in der Geschwister-Scholl-Schule in Bensheim gehört hatte. Gutes natürlich. Das die bay´rischen Truppen Bensheim befreiten und die Besatzer aus der Stadt verjagten ist natürlich eine ganz wunderbare Steilvorlage für mich. Da lasse ich den Franken in mir mal ruhen und bin, wie übrigens auch beim Weisswurstlied, von ganzem Herzen ein Bayer. Und ich freue mich schon jetzt auf das Ziel meiner Tour, denn bei der Eröffnung des Hessentages werde ich die Fraa vun Bensem wiedersehen.
Treffen mit einer echten Heldin:  Die Fraa vun Bensem. Eine mutige Handwerkerin rettet eine Stadt

Treffen mit einer echten Heldin: Die Fraa vun Bensem. Eine mutige Handwerkerin rettet eine Stadt

Von bayrischen Weisswurst-Minnesängern, fränkischen Dörflern und rätselhaften Nachrichten im Wanderbuch

Dritter Tag – der 2. Mai

Die Bestellung scheint angekommen zu sein. Geliefert wurden blauer Himmel und Morgensonne. Letzte Chance für die Vertonung und die Welturaufführung meines “Weisswurstliedes”, dessen Text mir vor einem guten Jahr im Allgäu auf den Weisswurstteller gefallen ist. Tom fährt heute zurück nach Nürnberg, und mit ihm sein Akkordeon, die Zeit drängt: Aus dem Stand soll der Song verfilmt werden.

Schöne Plätze dafür lassen sich in Gronau mühelos finden. Nur keine ohne Autoverkehr. Spätestens in die dritten Strophe mischen sich Motorenlärm, Hupen oder auch die Kirchturmglocke. Vor und hinter der schönen Kirche, die romantische Bank unter einen Baum, alles Fehlanzeige. Langsam leidet die Stimme. Bleibt als Rettung nur der Hintenausweg.

Begegnung auf Augenhöhe: Fachsimpeln mit dem Architekten Herbert Rhode

Begegnung auf Augenhöhe: Fachsimpeln mit dem Architekten Herbert Rhode

Mitten in die dritte Strophe tuckert diesmal ausnahmsweise ein Traktor. Abwechslung muss sein. Doch Rettung naht: Aus einem wunderbaren Garten werden wir begrüßt, und dürfen unsere Aufnahme darin vor der Kulisse eines traumhaft schönen Fachwerkhauses machen. Der Besitzer Herbert Rohde, ein Architekt hat das alte Anwesen in ein wahres Paradies verwandelt. Hut ab ! Und wie es der Zufall so will, ist der Sohn unseres Gastgebers selbst Zimmermann und Architekt.


Das Weisswurst Lied oder die Hymne der Veganer

Nach einem wunderbaren Gespräch, einer Einladung zum Verweilen, sowie einem “Zehrgeld” das der Hausherr dem “Wanderburschen” in die Jackentasche steckt, ziehen wir weiter. Dankbar und berührt. Kerrin hat die Aufnahme im Kasten und schon müssen wir los. Frankfurt wartet!

Unser Gastgeber des Tages: Otto Kuhn, Geschäftsführer des Verbandes baugewerblicher Unternehmer Hessen

Unser Gastgeber des Tages: Otto Kuhn, Geschäftsführer des Verbandes baugewerblicher Unternehmer Hessen

Um 15.00 Uhr steht eine Aufführung des Familienstückes “Hans im Glück oder der Traum vom Fliegen” auf der Tagesordnung. In der Geschäftsstelle des Verbandes Baugewerblicher Unternehmer Hessen wartet Herr Kuhn entspannt auf uns. Ich freue mich, mein Erstlingswerk wieder einmal spielen zu können und habe sichtlich Spaß dabei. Und ich bekomme die erste Eintragung auf Japanisch in mein Wanderbuch! Wer hilft mir, die rätselhaften Zeilen zu entschlüsseln?

Unter den Zuschauern war ein 10-jähriges Mädchen mit Ihrer japanischen Mutter und ihrem deutschen Vater. Lilia wollte gern ein Foto zusammen mit Johann, dem Zimmerergesellen und so kamen wir ins Gespräch. Natürlich hat mich die Geschichte dieser Familie interessiert. Der Vater, wie ich ein Bauernsohn, stammt aus derselben Gegend Frankens wie ich. Unsere Wurzeln ähneln sich ungemein. Seine Frau hat er in Kanada kennen gelernt. Die Welt, so groß und doch so klein, sie erstaunt mich immer wieder von neuem! Ein kluger Mensch hat einmal ausgerechnet, dass wir im Schnitt über 7 Stationen mit jedem Menschen dieser Erde verbunden sind.

Lilia Baier mit ihren Eltern und Zimmerergeselle Johann bei der Aufführung in Frankfurt

Lilia Baier mit ihren Eltern und dem Zimmerergesellen Johann bei der Aufführung in Frankfurt

Dann heißt es noch von Claudia, Tom und Sebastian Abschied nehmen, die uns die letzten Tage begleitet haben. Danke, Ihr drei! Müde und abgekämpft kommen Kerrin und ich in der Oase der Ruhe an, erfüllt von einem wahrlich Wunder-vollen Tag.

Text rb
Fotos kh